Aufmerksamkeits- und Impulskontrollübung

Passives Nein

 

Beim aktiven “Nein” wird dem Hund ein bestimmtes Verhalten durch Worte oder Taten untersagt.

Im Gegensatz dazu wird beim passiven “Nein” ohne direkte Einwirkung auf den Hund eine Sache verwehrt.

Es ist also kein Schreien oder körperliche Maßregelung notwendig. Der Hund kommt mit seinem bisherigen Verhalten nicht zum Ziel. Ganz nützlich, weil man beim aktiven “Nein” immer schnell genug sein muss, damit der Hund nicht mit dem unerwünschten Verhalten zum Ziel kommt. Dadurch wird er zum Nachdenken angeregt. Sinn der Übung ist, dass beim Hund eine Umorientierung zum Menschen hin erfolgt. Zudem wird ein Streiten vermieden. Der Hund soll den Menschen bei einem Problem mit ins Boot holen und ihn sozusagen um Hilfe bitten, bzw. durch ein Anschauen fragen, ob er sein Verhalten auch durchführen darf. Zudem ist es eine gute Impulskontrollübung  und  erhöht die Frustrationstoleranz.

Das kann bei folgenden unerwünschten Verhaltensweisen bzw. Problemen nützlich sein:

– Unrat fressen

– unerlaubtes Annehmen von Futter von fremden Menschen

– unkontrolliertes Davonlaufen, zu Hunden, Menschen oder jagdlich bedingt

– Leinenaggression

– Angst vor Menschen  (und dadurch gezeigte Aggressionen oder Flucht)

u.a.

Im Folgenden werden Übungen erläutert, wie das passive “Nein” geübt werden kann.

Übung 1 – Wir wollen keine Futterdiebe

Eine Übung die ich im Grund immer und überall machen kann, insofern der Hund nicht zu sehr abgelenkt ist.
Nehmen Sie ein Stück Futter in die Hand und schließen diese. Halten Sie sie nun vor die Nase des Hundes. Er wird versuchen mit Stupsen, Lecken, Kratzen, drauf rum kauen die Hand zu öffnen, um an das Objekt der Begierde zu gelangen. Es erfolgt keinerlei Maßregelung des Hundes! Sollte ihr Hund zu heftig sein, ziehen Sie einen dicken (Garten-) Handschuh an. Beim ersten Anzeichen der Zurückhaltung öffnen Sie die Hand und geben gleichzeitig (!) die Erlaubnis zum Fressen. Das Erlaubniswort ( z. B. "Nimm") sollte ihr Hund bereits im Vorfeld kennen gelernt haben. Von mal zu mal soll sich der Hund länger zurückhalten, bevor das Futterstück freigegeben wird. Sie können nun 2 Varianten trainieren.  Nehmen Sie die, von der Sie glauben, dass Sie ihrem Hund leichter fällt.

1.) Dehnen Sie die Zeitspanne die ihr Hund warten muss immer weiter aus. Ziel sollte nach ein paar Tagen sein, dass er anfängt “zu fragen”. D. h. er sucht Blickkontakt. Dieser wird unmittelbar belohnt mit dem öffnen der Hand in Verbindung mit dem Erlaubniswort.

2.) Ihr Hund hält sich bereits 2-3 Sekunden zurück. Dann können Sie die Hand öffnen, ohne das Erlaubniswort. Die meisten Hunde wollen dann das sichtbar gewordene Stück Futter sofort aufnehmen. Nun schließen Sie schnell die Hand. Sagen Sie nicht “Nein” oder ähnliches. Sie sagen garnichts! Ihr Hund wird sich nach kurzer Zeit wieder zurück nehmen. Wiederholen Sie das Öffnen und Schließen der Hand so lange, bis ihr Hund ca. 1 Sekunde wartet. BEVOR er sich nach vorne zur Hand hin bewegt, geben Sie ihm nun die Erlaubnis. Von mal zu mal dehnen Sie zusätzlich die Zeit weiter aus. Nach ein paar Tagen sollte ihr Hund auch hierbei den Blickkontakt zu ihnen suchen.
Endziel der Aufgabe ist, dass der Hund, egal ob das Leckerchen in der Hand liegt, auf dem Boden, auf dem Tisch, auf der Pfote etc. , ohne erinnert, geschweige denn korrigiert zu werden, von sich aus Zurückhaltung zeigt und um Erlaubnis fragt!

 

 

Übung 2 – Geduldiges Warten bei der Napf-Fütterung

Für alle die ihren Hund täglich aus dem Napf füttern, kann auch ohne Hilfsperson, das passive Nein mehrmals täglich bei der normalen Fütterung trainiert werden. Voraussetzung ist, dass der Hund bereits ein Fress-Erlaubnis-Wort kennt.
Zunächst kann, bei fressgierigen Hunden, 1/3 der normalen Ration in den Napf gefüllt werden. Dieser wird nun mit einem Erlaubniswort, z. B. Nimm, Friss, Bitteschön, hingestellt. Der Hund darf den Napf leer fressen.
Danach wird der Napf hochgenommen und das 2. Drittel an Futter eingefüllt. Jetzt wird der Napf Richtung Boden geführt. In dem Moment wo der Hund seine Schnauze in den Napf stecken möchte, wird er kommentarlos wieder angehoben. Kurz danach wird er wieder Richtung Boden geführt. Dieses wird solange wiederholt, bis der Napf auf dem Boden steht, die Hand ist noch am Napf, und der Hund stürzt sich nicht direkt aufs Futter. In diesem Moment kriegt er die Erlaubnis zum Fressen. Bei jeder Wiederholung soll der Hund nun 1- 2 Sekunden länger warten. Sie können nun entweder die Zeit verlängern oder, ab ca. 3 Sekunden könnten Sie stattdessen auch anfangen die Hand vom Napf wegzunehmen. Dieses ist für die meisten Hunde das Zeichen dafür, dass das Fressen freigegeben ist. Das wollen wir aber nicht. In dem Moment wo die Hand weggenommen wird, und der Hund ohne Erlaubnis an den Napf will, wird er wieder ohne Kommentar hochgenommen (der Napf, nicht der Hund). Fangen Sie mit Zentimetern an. Wenn Sie bei einem aufgeregten Hund schaffen, nach ca. 6 Einheiten für 2 Sekunden aufrecht zu stehen, und der Hund hat solange gewartet, so dass Sie die Erlaubnis erteilen konnten, sind Sie auf einem guten Weg.
Wenn die Portionen gedrittelt werden, haben Sie über den Tag verteilt mehrere Wiederholungen (bei einem Welpen sogar 3×3). Somit lernt er innerhalb von ein paar Tagen sich beim Fressen zu gedulden.

Dehnen Sie die Zeit immer länger raus. Nach ein paar Tagen warten Sie, bis ihr Hund einen kurzen Blickkontakt zeigt, bevor er die Erlaubnis zum Fressen bekommt. Dieser Blickkontakt zu ihnen soll dann von Tag zu Tag länger anhalten.
Sie reden bei der Übung nicht mit dem Hund! Kein “Nein”, “Warte”, “Sitz” oder sonstiges. Es ist keine Bleib-Übungen, sondern eine passive Nein-Übung. Der Hund soll von sich aus darauf kommen, zu warten. Wenn er so trainiert wird, dass er immer nur Dinge tut oder lässt, wenn Sie sie ihm vorsagen, wird er nicht lernen mitzudenken, und unerwünschte Dinge auch weiterhin tun, solange er schneller ist als Sie mit “Nein” oder “Pfui”- sagen.

Achtung: Bei Futteraggressiven Hunden nicht ohne Absprache mit einem kompetenten Hundetrainer machen!!

Diese Übung sollte nicht mit Hunden gemacht werden, die Scheu vor dem Napf zeigen oder mekelige Fresser sind!

Übung 3 – Nichts von Fremden nehmen

Eine Hilfsperson nimmt ein Leckerchen in die Hand und lässt den Hund an der geschlossenen Hand riechen. Die meisten Hunde fangen jetzt an, an der Hand zu stupsen, sie abzulecken, dran zu kratzen oder zu knabbern. Dieses Verhalten wird ignoriert. Sollte der Hund so heftig werden, dass es für den Helfer zu unangenehm wird, kann der Hund durch eine Leine begrenzt werden, dann kann sich der Helfer bei Bedarf so weit entfernen, dass der Hund nicht mehr an ihn ran kommt. Er kehrt zurück, sobald der Hund ruhigeres Verhalten zeigt. Der Besitzer hat vor dem Start der Übung ein paar Leckerchen schnell greifbar, z. B. in einer Futtertasche für den Gürtel, verstaut. Sobald sich der Hund seinem Besitzer zuwendet, wird er mit einem Stück Futter belohnt. Um den vielleicht anfangs sehr kurzen Augenblick im richtigem Moment zu erwischen, kann mit einem Markerwort (“Prima”) oder dem Clicker gearbeitet werden. Und erst danach geht die Hand zu der Belohnung. Der Hund soll nämlich nicht die ganze Zeit auf die Hand des Besitzers starren, weil er dort ein Leckerchen wittert.

Falls der Hund über einen längeren Zeitraum nicht auf die Idee kommt, Kontakt zu seinem Besitzer aufzunehmen, kann zunächst der Moment, in dem der Hund von dem Helfer ablässt, belohnt werden. Nach ein paar Wiederholungen wird wieder abgewartet, ob er sich jetzt dem Besitzer zuwendet. Diese Methode wird Shaping genannt. Sie wird häufig beim Clickern angewandt. Sie formt das Verhalten bis zum Endziel wie man es bei einem Daumenkino sieht.

Sollte der Hund in ein Dauerkläffen übergehen, kann die Übung bei Bedarf komplett abgebrochen werden. Der Helfer verschwindet einfach mit dem Leckerchen aus dem Blickfeld des Hundes. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Übung neu gestartet.

Die Aufgabe kann nach einer sicheren Umorientierung gesteigert werden. Nun wird die Hand des Helfers geöffnet, so dass das Leckerchen zu sehen ist. Sollte der Hund danach greifen, wird die Hand wieder geschlossen. Das Spiel wird ansonsten wie oben beschrieben durchgeführt.

Eine Erweiterung der Übung kann das Kommando “Nimm” beinhalten.

Das heisst, der Hund darf das Leckerchen aus der Hand des Helfers nehmen, nachdem er es ignoriert hat und den Blickkontakt zum Besitzer über einen längeren Zeitraum gehalten hat.

Um ein sicheres passives “Nein” aufzubauen, ist es nötig, dass die Übung mit verschiedenen Helfern durchgeführt wird, an unterschiedlichen Orten und unterschiedlichen Zeiten. Dadurch erzielt man eine Generalisierung (Verallgemeinerung), und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Verhalten im normalen Alltag angeboten wird. Richtig gefestigt wird es dadurch, dass das Objekte der Begierde so verpacke ist, dass der Hund trotz Anstrengungen nicht dran kommt. Die Verpackung wird zur Steigerung immer geringer. Vorsichtshalber sollte dann aber zunächst der Hund durch eine Leine gesichert sein. Wenn also das erste Mal die blanke Fleischwurst auf dem Spazierweg liegt, muss verhindert werden können, dass er sie sich doch schnappt. Ansonsten wird er die nächsten Male wieder versuchen dran zu kommen. Bedenke: Anscheinend war die Übung schon zu schwer gestalten. Also lieber einen Gang zurück schalten.

Um so schwieriger die Übung wird, desto besser sollte die Belohnung sein, die er für’s Ignorieren bekommt.

Grundsätzlich kann ich ein Anschauen immer passiv einfordern, bevor der Hund einen Wunsch erfüllt bekommt. Ob vor dem Ableinen bzw. nach dem Ableinen bevor er die Erlaubnis zum frei laufen erhält, dem Fressen aus dem Napf, dem Hinterherlaufen von Gegenständen (z. B. Ball), der Begegnung mit Menschen oder Hunden usw. Endlich mal kein Buhlen mehr um Aufmerksamkeit.